Unzulässiges Ablehnungsgesuch gegen Mitglieder des BVerfG

Unzulässiges Ablehnungsgesuch gegen Mitglieder des BVerfG

Bundesverfassungsgericht
Presseerklärung BVerfG:

Unzulässiges Ablehnungsgesuch gegen die Mitglieder des Zweiten Senats

Ist es tatsächlich so einfach?

 
 

Sachverhalt aus der Presseerklärung des BVerfG:

“Auf Einladung der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel habe ein gemeinsames Abendessen mit der Bundesregierung stattgefunden. Die Teilnahme an einem Abendessen (30.6.2021) mit den Antragsgegnerinnen der von ihr angestrengten Organstreitverfahren nur wenige Wochen vor der mündlichen Verhandlung begründe die Besorgnis der Befangenheit gegen alle teilnehmenden Richterinnen und Richter des Zweiten Senats.”
 
Was ist eigentlich Gewaltenteilung?
Was ist eigentlich Unabhängigkeit?
Bewerten Sie selbst die Begründung des Bundesverfassungsgerichts zum Ablehnungsgesuch der AfD.
Dabei geht es nicht um die AfD – eine Partei, die inhaltlich völlig abzulehnen ist, aber um so problematischer ist es, wenn die Argumentation dieser Partei tatsächlich verfassungsrechtliche Fragen aufwirft.
 
Der Hintergrund ist eine Äußerung von Kanzlerin Merkel in Pretoria:
 
legal 1st Kommentar:
Gewaltenteilung und die Bewahrung der Unabhängigkeit von Institutionen werden in Deutschland hoch gehalten, weil die Verfassung dies gebietet.
  • Einem Beamten ist die Annahme von kleinsten Geschenken untersagt,
  • kleine Geschenke an Leitungen unabhängiger Institutionen müssen durch Aufsichtsgremien genehmigt werden,
  • ein Treffen von Wettbewerbern hat bereits den Anschein unerlaubter Absprachen.

Was ist es also, wenn die Bundeskanzlerin auf einer Auslandreise als Bundeskanzlerin sich parteipolitisch äußert, und sind Richter befangen, wenn diese sich mit der Bundesregierung und der Kanzlerin ca. 6 Wochen vor der Verhandlung zum Abendessen treffen?

Sollten sich die Hüter der Verfassung – das Bundesverfassungsgericht – grundsätzlich mit der Staatsgewalt überhaupt treffen, gegen die sie die Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte der Bürger zu schützen hat?

Gibt das Organstreitverfahren Anlaß zu fragen, ob die besondere Aufgabe der Parteien als Mittler zwischen Gesellschaft und Staat es überhaupt zuläßt, daß sich Kanzlerschaft und Parteivorsitz in einer Person vereinen?

“Der Richter kontrolliert insbesondere die Tätigkeit der Exekutive, aber auch der Legislative, auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3 GG, d.h. ob sich die Exekutive an Recht und Gesetz und die Legislative an die Verfassung (verfassungsmäßige Ordnung) gehalten hat.
Um diesen Zweck erreichen zu können, ist er gem. Art. 97 Abs. 1 GG
(a) sachlich unabhängig, d.h. in Gerichtsverfahren entscheidet nur der Richter und keine andere staatliche Instanz. Es gibt kein „Letztentscheidungsrecht“ einer anderen Gewalt (z. B. des Bundespräsidenten).
(b) persönlich unabhängig, d.h. es darf keine Sanktion dafür eintreten, dass der Richter in einem Fall nach „Gesetz und Recht“ anders entschieden hat als dies z. B. ein übergeordnetes Gericht tun würde.
Grenze der Rechtsprechung ist die Auslegung der Gesetze, denn Art. 20 Abs. 3 GG bindet auch die Justiz an die Gesetze”, aus: Das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG von Dr. Angelika Günzel

Kriterien für unabhängige Institutionen sind in einem Referat von Jörn Kruse –  Unabhängige staatliche Institutionen:
Funktionalität und demokratische Legitimation  auf Seite 6 und 7 sehr gut zusammengestellt worden:

“Die Unabhängigkeit einer staatlichen Institution ist im Folgenden definiert als „unabhängig
von den Politikern und den politischen Institutionen“.15 Dies macht schon deutlich, dass die
Interessen der jeweils herrschenden Politiker kurzfristig fast immer gegen die Unabhängigkeit
einer staatlichen Institution gerichtet sind, da diese ihre gegenwärtige Macht begrenzt. Längerfristig kann dies jedoch auch anders sein, da unabhängige Institutionen oft eine höhere Funktionalität aufweisen als politikabhängige, besonders in einem Kontext, in dem Zeitinkonsistenz politischer Entscheidungen bedeutsam ist (vgl. Abschnitt 4.6.).”

“Um den allgemeinen Begriff der „Unabhängigkeit“ präziser zu fassen, wird er hier in vier
Kategorien differenziert, nämlich (a) inhaltliche Unabhängigkeit, d.h. Fehlen von Primärentscheidungsrechten von politischen Institutionen im Zuständigkeitsbereich der Institution, (b)
persönliche Unabhängigkeit, d.h. politikfreie Auswahl des Spitzenpersonals, (c) budgetäre
Unabhängigkeit, d.h. solche Entscheidungsverfahren über die Budgets der Institutionen, die nicht die inhaltlichen Anreize beeinflussen, und (d) die institutionelle Unabhängigkeit.”

In seiner Presseerklärung begründet das Bundesverfassungsgericht seine Ablehnung der Befangenheit: “Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass allein die zeitliche Nähe des Treffens ohne irgendeinen inhaltlichen Bezug zur mündlichen Verhandlung dazu führen könnte, dass die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr über die innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigt, über die Gegenstände der vorliegenden Organstreitverfahren unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden. Soweit die Antragstellerin anzudeuten scheint, dass die Einladung der Bundeskanzlerin gerade aus Anlass der vorliegenden Organstreitverfahren ausgesprochen worden sei, handelt es sich schließlich um eine Mutmaßung ohne sachlichen Hintergrund.”

Reicht das, um Unabhängigkeit und Gewaltenteilung zu gewährleisten?

In § 42 ZPO steht dazu:

Ablehnung eines Richters

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
 
FAZ.net

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