Die EU kann sich nicht selbst ermächtigen
FAZ.net:
Die EU muss sich auf ihre Rolle besinnen
legal 1st Kommentar:
Es ist das Grundgesetz selbst, das Deutschlands Rolle in Europa definiert und gleichzeitig die Bedeutung von Europa für Deutschland von mehreren Bedingungen abhängig macht:
Art. 23 Abs.1 GG
(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.
Wenn Reinhard Müller in seinem Kommentar feststellt, daß Europa nur ein Verbund von Staaten ist, die ihre Befugnisse verleihen, dann ist dies mit Blick auf Art. 23 Abs. 1 GG absolut richtig, und entsprechend kann die EU sich nicht selbst ermächtigen.
Der EuGH und die EU-Kommission können nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bewerten, das auf der Grundlage entscheidet, die die EU-Kommission und den EuGH aus Sicht deutschen Verfassungsrechts erst ermöglicht.
Jeder Verweis auf Ungarn und Polen läuft ins Leere, weil dort innerstaatliche Rechtselemente abgeschafft wurden, die in der Wirkung auf Europa durchschlagen.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Feststellung einer “ultra vires” Handlung auf der Grundlage deutschen Verfassungsrechts entschieden, dabei muß das Gericht unabhängig von politischem Handeln und Tagesgeschäft sein, um Hüter der Verfassung sein zu können.
Das Vertragsverletzungsverfahren will sich über die Entscheidung eines unabhängigen Verfassungsgerichts hinwegsetzen und überschreitet damit erneut die Bedingungen, die Art. 23 Abs.1 GG für Europa formuliert: Rechtsstaatlichkeit!
Zur Rechtsstaatlichkeit gehört auch die Achtung von nationalem Verfassungsrecht.
Europa ist nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, ein supranationales Gebilde ohne echte demokratische Legitimation und ohne eigene Verfassung.
Als vor einigen Monaten der EU-Haushalt mit Corona-Hilfen von 750 Mrd Euro verabschiedet werden sollte, hat man – auch die EU-Kommission – eine mediale Inszenierung für die Auszahlungsbedingung Rechtsstaatlichkeit geliefert, tatsächlich erhalten Länder wie Polen und Ungarn bedingungslos EU-Gelder, während parallel ein langjähriges Verfahren zur Gesichtswahrung läuft.
Man fühlt sich an manche Diskussion mit Großbritannien über die Rolle des EuGH erinnert. Gemachte Fehler sollten sich nicht wiederholen.
Nationales Verfassungsrecht ist kein Spielball für Machtansprüche des EuGH, der nicht über nationalen Verfassungsgerichten steht.
Das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ist an die Politik und Regierung adressiert. Aber was wird eigentlich erwartet? Soll die Politik das höchste deutsche Gericht disziplinieren, sein Urteil mißachten und seine Unabhängigkeit infragestellen?
Das Vertragsverletzungsverfahren greift die Verfassungsindentität und die Verfassungssystematik mit der Gewaltenteilung an.
Und warum?
Vielleicht sollte die EU-Kommission mit ihrer Präsidentin zuerst einmal nachdenken, wer Huhn und wer Ei ist. Europa wird vom gemeinsamen Willen aller Europäer getragen, da ist kein Platz für Machtspiele, denn die EU-Kommission und der EuGH dient diesen Europäern und hat keine eigenen Interessen zu verfolgen.